Vorsicht Arbeitgeber! Die Stadt Osnabrück hat nun auch in zweiter Instanz einen Rechtsstreit verloren, in dem ein über siebzigjähriger Rentner Schadensersatz verlangte, weil er wegen seines Alters nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wurde.
Arbeitsgericht Osnabrück hält Zurückweisung für Diskriminierung
Der Mann hatte sich mit 71 Jahren als hauswirtschaftlicher Angestellter auf eine Stellenausschreibung der Jugendberufshilfe der Stadt beworben. Offensichtlich konnte er hervorragende Qualifikationen vorweisen, denn die Stadt sagte ihm mit den Worten ab, ihn trotz sehr beeindruckender Bewerbung als Rentner nicht einstellen zu dürfen. Auch nachdem die Stadt ihre Absage dahingehend präzisierte, tarifvertraglich bei Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern im Rentenalter an die Zustimmung der Personalvertretung gebunden zu sein und diese regelmäßig nicht erteilt werde, fühlte sich der Bewerber wegen Alters diskriminiert und verlangte vor dem Arbeitsgericht Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Dies sprach ihm auch drei Bruttomonatsgehälter der ausgeschriebenen Stelle zu. Für die Osnabrücker Arbeitsrichter bezog sich die Zustimmungspflicht der Personalvertretung nur auf die Weiterbeschäftigung bereits eingestellter Arbeitnehmer, die ins Rentenalter kommen. Gerade deshalb sei die Neueinstellung von Rentnern offen gelassen. Die Ablehnung des Bewerbers ziele direkt auf sein Alter und sei deshalb diskriminierend.
Stadt muss zahlen
Die Stadt Osnabrück legte hiergegen Berufung ein, die sie nach einem unlängst ergangenen Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (Az. 17 Sa 1302/17) dem Grunde nach verloren hat. Lediglich die Höhe der Schadensersatzforderung wurde auf ein Bruttomonatsgehalt gekürzt.
Im Berufungsverfahren argumentierte die Stadt, die Benachteiligung des Rentners stelle auch nach dem AGG keine Diskriminierung dar, sondern sei als Mittel der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik geboten. Andere Sichtweisen würden die diesbezüglichen tarifvertraglichen Rechte der Personalvertretung aushöhlen.
Dem mochte nun auch die Berufungsinstanz nicht folgen. Sie bestätigte zunächst die Sichtweise des Arbeitsgerichts Osnabrück, dass eine Personalvertretung nur auf die Weiterbeschäftigung von Rentnern Einfluss nehmen kann, nicht auf deren Neuanstellung. Schon gar nicht könne mit dem Tarifrecht gerechtfertigt werden, Rentner von vorneherein aus dem Bewerbungsverfahren auszuschließen. Das Tarifrecht kenne keine Höchstaltersgrenzen für Neueinstellungen. Zwar könne es im Einzelfall rechtskonform sein, Rentner aufgrund ihres Alters gegenüber anderen Bewerbern am Ende abzulehnen. Hier gehe es aber um die Versagung der Chancen im Bewerbungsverfahren. Eine zulässige Altersgrenzenregelung erlaube es keinesfalls, Altersrentner von vorneherein nicht in die Auswahl einzubeziehen. Damit bliebe ihnen versagt, Arbeitgeber von sich im Bewerbungsverfahren zu überzeugen. Zudem sah das Landesarbeitsgericht keine Anhaltspunkte im Vortrag der Stadt, die eine vermutete Ablehnung der Beschäftigung des Bewerbers untermauert hätten. Die Stadt habe dies bloß vermutet, weil es anscheinend eine entsprechende Praxis gab, wenn bisher schon Beschäftigte als Rentner weiterarbeiten wollten. Damit könne die Nichtberücksichtigung der Bewerbung aber ebenso wenig gerechtfertigt werden.
Lediglich bei der Höhe der Entschädigung konnte die Stadt Osnabrück einen Erfolg verbuchen. Das Landesarbeitsgericht hielt ein Monatsbruttogehalt für ausreichend. Grund dafür war vor allem, dass die begehrte Stelle auf lediglich neun Monate befristet war und der Kläger im Falle einer erfolgreichen Bewerbung also lediglich neun Monatsgehälter zu erwarten hatte. Außerdem meinte die Kammer, die Zahlung sei in dieser Höhe für andere Arbeitgeber abschreckend genug.
Das letzte Wort?
Dieser Osnabrücker Fall hat das Potenzial, die Gerichte weiterhin grundsätzlich zu befassen. Ob die Stadt ein zulässiges Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht durchführt, bleibt zwar abzuwarten. Ähnlich gelagerte Konstellationen dürften früher oder später aber den Weg dorthin finden, vermutlich auch weiter bis zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Bis dahin sollten Arbeitgeber jedenfalls bei der vorschnellen Ablehnung von Rentnern als Stellenbewerber auf der Hut sein und sich bestenfalls von einem erfahrenen Anwalt für Arbeitsrecht in Osnabrück beraten lassen.
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